Universums-Hopping kann zu geistiger Zerrüttung führen



Froosnäujaah!, froosnäujaah allerseits! – So, nun ist aber auch gut, oder? Mann, bin ich immer erleichtert, wenn dieser endlose Jahresend-Bohei endlich dann doch mal vorbei ist. Ich  habe keine Ahnung, wie andere das aushalten, aber ich bin nach den Feiertagen so mit den Nerven fertig, daß ich für ein bißchen alltägliche Normalität fast jeden Preis zahlen würde. Oder noch besser: für ein anderes Universum. So teuer können die ja nicht sein, die gibt es nämlich massenweise! Das „Nachrichtenmagazin“ DER SPIEGEL hat es heuer wieder rapportiert, weil „zwischen den Jahren“ ist, ähnlich wie im Hochsommer, nachrichtenarme Zeit, und da wird DER SPIEGEL gern, zur Füllung der Lücken zwischen der Werbung, etwas astro-esoterisch und Galaxtose-blümerant: Schwarze Löcher, Quantenteilchen-Zoo, Anti-Materie, diese Art Sachen, über die man ungestraft praktisch jeden spekulativen Blödsinn schreiben kann, weil, wer ist schon brillanter Astrophysiker und hätte dann Zeit, dem doofen SPIEGEL besserwisserische Leserbriefe zu schreiben?

Dieses Jahr an Weihnachten also die Paralleluniversen. Ich persönlich bin recht froh, daß es sie gibt, denn sonst kriegt man den Einzigartigkeitswahn und geht an der eigenen Bedeutung zugrunde. Aber so? Es gibt einen ja mehrmals bzw. andauernd! Die wirrhaarigen Weißkittel mit den dicken Nobelpreisträger-Brillen erklären uns das so: Man muß sich das vorstellen wie in der Badewanne. Ein schöner Schaumbadschaum besteht aus Millionen von Seifenblasen, und jede ist ein Universum. So ähnlich unser All: eine einzige, seit dem sog. Urknall aufgepustete Blase – aber unter Phantastrillionen anderer Blasen. Das Schärfste: In vielen Universumsblasen ist ebenfalls Leben möglich, evtl. sogar intelligentes. In manchen Paralelluniversen, sagen Wissenschaftler, von denen ich nicht weiß, wie sie das wissen können, herrschen ganz ähnliche Bedingungen wie hier, nur ganz geringfügig verschoben. In einigen Universen habe ich beispielsweise fast identische Doppelgänger, in anderen bin indessen ich platinblond, trage gewagt dekolletierte Kleider und nenne mich Marilyn. Schon irre, diese Theorie, oder?

Im Prinzip entspricht sie aber durchaus meinen Erfahrungen. Man wacht nach einer wüsten Nacht, durch einen mörderischen Filmriß irritiert, neben einem wildfremden Menschen auf, der einen albernerweise ständig auf das aufregende Leben als Flugkapitän oder Geheimagent anspricht. Was hab ich getan? Was hab ich denn erzählt? Nichts! Ich bin nur versehentlich in ein anderes, paralleles Universum geflutscht! Ein bißchen gespenstisch ist das natürlich schon. Man geht als Miss Monroe mit Kennedy ins Bett und am nächsten Morgen ist man einer von den Böhsen Onkelz oder heißt plötzlich nicht mehr Cat Stevens, sondern Yussuf Islam und hat einen gesträubten Eiferer-Bart. Universums-Hopping hat also Risiken und Nebenwirkungen. So etwas kann leicht zu geistigen Zerrüttungen führen.

Das größte Problem, das bislang auch DER SPIEGEL mit seiner astro-physikalischen Tischerücker-Expeterten-Runde nicht lösen konnte: Wie flutscht man jetzt gezielt von einer kosmischen Blase in die parallele, in die man gern möchte? Und warum kann man seine Erinnerungen nicht mitnehmen, um etwa dem werten Herrn Doppelgänger ein paar verhängnisvolle Fehlentscheidungen zu ersparen? Hier steht noch viel Forschungsarbeit auf der Agenda 2010!

In einem einzigen Fall ist mir der Universumsflutsch allerdings kürzlich gelungen, und zwar mit Hilfe von Herrn Zimmermann. In dem Universum, in dem wir in Kontakt traten, ist er einer von den Guten Onkelz und der brave Gatte von Frau Zimmermann. Er hatte nie etwas mit Marilyn; brav hilft er seiner Gemahlin beim Betrieb eines Versandbuchhandels mit gebrauchten Büchern. Zu diesem Zweck brettert er mit seinem alten aschgrau-metallic-lackierten Scorpio-Kombi, zur Not bei Eis und Schnee, quer durch die Republik, um Buchnachlässe abzuholen. Zu Beispiel den meinen.

Was Freunde, Verwandte, Bekannte und Hörerinnen nicht zuwege brachten, schaffte Herr Zimmermann mit seinen 44 Bananenkartons: Ich wurde meine Bücher los. Plötzlich war aus dem Bücherwurm, dem Privatgelehrten und der – wie der Hl. Hieronymus in seinem Büchergehäuse hockenden bzw. hausenden – Grübelkrähe Kraska ein buchloser Doppelgänger geworden, in einem Universum leerer Regale, die jetzt bereit sind, die heiße Luft aufzunehmen, mit der ich künftig zu handeln gedenke. Frei wie ein Vogel, Habenichts und Tao-Mönche wandere ich nun meiner Wege, in einem Universum, in dem ich ein bücherlosr Bücherwurm bin. – Nee, keine Angst, war nur Spaß. Wenngleich, ich muß schon sagen: Eine Bibliothek ganz ohne Bücher ist eine bis ans Herz reichende eisige Erfahrung! (Möglicherweise zeigen die Fotos das.) Ich fröstele, wegen oder trotz der hervorragenden, guten, flinken und effizienten Arbeit von Herrn Zimmermann.

Ich glaube, ich muß noch mal in eine andere kosmische Blase. Es gibt da die eine, wo ich eine rassige, südländische Schönheit namens Kleopatra bin und mich, in einen Teppich gerollt, einem römischen Politiker vor die Füße werfe. Und es ist nicht Berlusconi…

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3 Kommentare - “Universums-Hopping kann zu geistiger Zerrüttung führen”

  1. joulupukki Says:

    Oh, ich kann nicht umhin, um den Anblick der schön gefüllten Bibliothek dicke Tränen zu vergießen. Musste das wirklich sein? *schnief*

  2. 6kraska6 Says:

    Ja, manchmal muß sowas leider sein. Immerhin: Aber immerhin: Zwei-, dreitausend der wichtigsten Bücher hab ich gerettet, sie stehen schon wieder in Reih & Glied….


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