Ode an ein unbekanntes Huhn (Pepi’s Blues)

Urheber des Fotos: Hühnerflüsterin Tuliparola Kontakt: http://www.proz.com/translator/62859 Bei Qype als Tulpenteufel aktiv; ansonsten Übersetzerin, Dichterin, Emigrantin, Agrarnonne, Eremitin, Tomatenzüchterin, Katzen- und überhaupt Tierfreundin, wenn auch, gottlob, auf unsentimentae Weise. Pepi im übrigen wurde nicht etwa verspeist, sondern mit Rosinen (als Grabbeigabe!!) pietätvoll unterm Birnbaum bestattet. - Das folgende Lied ist all den namenlosen Hühnern gewidmet, die uns mit wunderbaren Frühstückseiern versorgen.
Ode an ein hart arbeitendes, philosophisches Huhn
Ein Huhn, so alte Spruchweisheit, sagt mehr als tausend Worte. Nicht nur put-put, pik-pik, in seinem Köpfchen wohnt Metaphysik! Wie’s durch die Scheibe pliert und stiert: Man könnte denken,der Vogel philosophiert!Pepi, Königin der Legehennen, entdeckt für sich grad das Erkennen: Anfang und Ende, Henne und Ei, Leben und Tod, einerlei.
Wo kommen wir her, wo gehen wir hin? Macht’s Erdenleben denn, bitte, noch irgendwo Sinn? Das ganze Gackern, Scharren, Umeinanderrennen, für was denn? Für das? – Ich meine: Sind denn die Legehennen, jenseits von Hühnerdreck und Körnerfutter, nicht letztlich auch Frau? Und Mutter? Umflort erscheint des Huhnes Blick – und die Kinder? Blicken mit großgelben Augen lächelnd zurück.
Das Sein und das Nichts, das Ich und das Du, Leib und Seele und raus bist du! Verwehrt blieb dem Nachwuchs die große Lebensfeier. Sie endeten schnöde, – als Spiegeleier. Sünde und Lohn, Liebe und Hohn, Freiheit und Fron, ich ahne schon: Das süße Sein, es kann so schweinisch hühnerfeindlich sein! Doch vom Denken beflügelt weitet Pepi gekonnt ihren huhnbedingt engeren Horizont: Als brutzelnde Pracht in der Pfanne zu landen, noch dazu hier, in den westlichsten Niederlanden, ist nicht zu verachten! Und keine Schanden! Man kann das auch anders betrachten! Zwar, sicher, das Dasein ist hart, doch andrerseits blieb es den Eierchen auch erspart! Ungeschlüpft und frühvollendet gerieten sie doch zum Glück: als labendes, nährendes Bauernfrühstück.
Du kannst es nennen Wie du willst: das Tao der Legehennen Ist, wie du siehst, nicht das Erkennen, es ist in Wahrung aller Würden: unsre Nahrung. Leider ist nicht nur das Ei verderblich, auch Mutterhenne Huhn ist sterblich, weswegen Pepi, hör ich, jüngst verschieden.
Ruhe du nun, Huhn, in Frieden. Zu deiner Totenfeier Futtern wir andachtsvoll Spiegeleier!
PS: Oh heiliges Huhn! Geflügelte Mutter des Duftenden Spiegeleis, wir verehren dich, – ohne Scheiß!
This entry was posted on 12. November 2009 at 12:03 AM and is filed under In memoriam..., Notizen, Philosopher's Corner. You can subscribe via RSS 2.0 feed to this post's comments.
Schlagwörter: Blues, Ei, Eier, Geschichte, Holocaust, Huhn, Judentum, Metaphysik, Ode, Omlett, Pepi-das-Huhn, Philosophie, Rührei, Reim, Sinn, Spiegelei, tuliparola
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12. November 2009 um 2:36 PM
Kraska,
das hat ringelnatzsche Qualität. Respekt. Hochachtung auch für die Hühnerflüsterin für dieses wunderbare Foto.
Nur mit dem Gelatiere meines Vertrauens muß ich mal ein ernstes Wörtchen reden – der hat alles, aber kein Spiegeleis.
13. November 2009 um 11:47 PM
Auch mir kam Ringelnatz in den Sinn.
Der Gelatiere könnte Spiegeleis erschaffen, wenn er sich nur ein Beispiel an seinen Kollegen Pizzuolo nehmen würde, der die Pizza Polifemo hervorbrachte. Schon mal gesehen? Da prangt ein einziges Spiegelei.
Spiegelei heißt ja occhio di bue, Ochsenauge. Mmh, ein sehr komplexes Thema….
12. November 2009 um 3:25 PM
Danke für den extrem schmeichelhaften Vergleich! – Den Gelateristen kannst Du ja mal fragen, ob er geeisten Genitiv hat….
13. November 2009 um 1:22 AM
Bist Du jetzt unter die Dichter gegangen, Magister ?
Sehr schön ! Und vor allem das Foto !
13. November 2009 um 1:31 AM
das Tao der Legehennen, da fühl ich mich angesprochen !
13. November 2009 um 12:19 PM
Dear Ms. Tulpenteufel,
As avid readers of Prof. Kraska’s musings, my husband and I were deeply saddened to learn of your tragic loss.
Please accept our sincere condolences upon the tragic loss of a loved one who gave their life so selflessly doing their duty, together with our best personal wishes for the future.
We hope that those tender lines of poetry will be prove to be of some comfort to you at this difficult time.
Should you consider a charitable donation to be appropriate, then please communicate your account number at http://tinyurl.com/mv4n to the Lord High Chamberlain.
ELIZABETH R
13. November 2009 um 11:59 PM
Hi Lizzy, thanx for your pretty cool condolences. Those tender lines are bloody brilliant. Comforting like Tom Waits singing „Rain Dogs“.
Tempestuously touching.
Hey, chick, when shall we 3 meet us again,
in thunder, lightnin‘ or in rain? 😉
13. November 2009 um 11:43 PM
Oh, wie ist das wunderschön
„goldgelbe Augen, die zurücklächeln“
und dort wo es manchem vielleicht
kunstvoll übertrieben erscheint,
offenbart sich die Wahrheit, die kaum
einer kennt: Hühner philosophieren,
meditieren sogar.
Schwelgende Grüße