Brother Günter macht uns den Neger
Zunächst hab ich nur furchtbar lachen müssen. Ein dermaßen triefigtief-betroffen plierendes, tränentreibend humorloses, um die pawlow-sabbernde Zustimmung des grün-linken Juste Milieu buhlendes Anklagegesicht wie das des zum traurigen Opfer-Negerl geschminkten Undercover-Checker-Aufdeckers (Black & Decker!) Wallraff hebt mich moralisch sofort um Stufen! Die Dritte Welt schaut dich an! Durch dackelbraune Kontaktlinsen! Oo-ha! Hungrig! Diskriminiert! Von gaaanz unten! Onkel Tom hat Polit-Migräne! Das beschämt mich schwer, mich, den latenten Rassisten, der nämlich auf „schwarz“ geschminkte weiße Wichser für Abschaum hält. Ja, heult doch!
Ich dachte ja erst, angesichts des mit brauner Schuhcreme „in zweistündiger Arbeit der Maskenbildnerin“ eingewichsten Schwarzclowns: Manno, jetzt muß der arme (verarmte?) Investigator schon am Stadttheater von Kyritz an der Knatter den Knallchargen-Othello geben! Jetzt ist er aber wirklich echt „ganz unten“, weia! Ausgestattet mit einem unsäglich bescheuerten Karnevals-Afro und angetan mit seinem alten Ali-Schnauzbart aus besseren Tagen (beides ist in Somalia heuer extrem in Mode!) spielt der rüstige Rentner, schwarz-braun wie die dumme Haselnuss, den Asyl-Somalier „Kwami Ogonno“ (ein Extra-Preis geht an die Namensbeschaffer! Ja, so heißt er gern, der Mohr! Kwami! Ogonno! Ohgotto!), um endlich mal heroisch-investigativ aufzudecken, zu entlarven und zu demaskieren, daß es in Deutschland noch immer Spießer und Hirnis gibt, die Vorbehalte gegen Schwarze haben. Ach was! Das hätt ich ja nun im Traum nicht gedacht. Das mußte mal unter Lebensgefahr der allgemeinen Verborgenheit entrissen werden! Pfui über dich, Deutschland, bleiche Mutter! Du hochschätzt deine Neger nicht, die sind für dich „Menschen 2. Klasse“, ja, vielleicht sogar bloß Holzklasse.
Kwami Wallraff hat den bösen Deutschen mal wieder unter dem Beifall aller, die es schon immer gewußt haben und sich das gern regelmäßig bestätigen lassen, den inneren Stinkefinger gezeigt: Alles Nazi außer wir, die Guten! Stellt euch vor: Die Deutschen nennen ihren Schäferhund noch immer Blondie, und nicht Tyson, Muhammed Ali, Mobutu oder Kwami! Sie wollen somalische Asylbewerber nicht als Kegelkameraden und Schützenbrüder, nicht in der Wandergruppe und nicht als anderen Spießern gleichgestellten Schreber-Streber!
„Ich will herausfinden, wie es sich als Schwarzer in Deutschland lebt, ob die Vorstellung vom unverbesserlich fremdenfeindlichen deutschen Wesen nur noch ein Klischee ist – oder ob das von der Boulevardpresse gepflegte Schreckbild vom Schwarzen als Dealer, Asylbetrüger und Kriminellen die Stimmung im Lande kennzeichnet.“ Und? Was bei dieser objektiven Untersuchung wohl herausgekommen ist? Herausgekommen ist, daß wer vom Klischee lebt, durchs Klischee umkommt. Oder, na ja, nicht gerade umkommt, sondern zum Beispiel sich selber als der eigentliche Rassist demaskiert.
In Deutschland leben zigtausend Menschen (die Zahl hab ich nicht parat, ich hoffe auch, die wird nicht erfaßt!) schwarzer Hautfarbe. Darunter sind bekanntlich Fußball-Profis, Künstler, Musiker, Ärzte, Wissenschaftler, Schauspieler, Journalisten, Dichter, Diplomaten. Viele sind Deutsche, hier geboren. Andere kommen von irgendwoher hergelaufen, sprechen aber dennoch keineswegs nur Wolof und Xhosa, sondern in aller Regel ganz gut deutsch, englisch oder französisch. Mit anderen Worten, Günter Ogönno: Der Neger kann sprechen! Und zwar für sich selbst. Wenn Sie schon ihr Image als krawallraffgieriger Ausländer-Jesus aufpolieren wollen, warum führen sie keine Interviews mit denen? Sie würden den Schwarzen Mann gewiß in ihre Wandergruppe aufnehmen oder im Schrebergarten in der Laube wohnen lassen, klar, jederzeit, – aber mit ihm sprechen? Seine eigenen Erfahrungen brav mitschreiben, edieren und drucken lassen? So weit wollen wir dann doch nicht gehen, oder? Nachher will der Neger noch mitreden! Und macht womöglich Premieren-Palaver und Tantiemen-Tamtam!
Also muß sich Onkel Günter, der große alte Mann des Undercover-Gekaspers (wenn ich das Wort „Enthüllungsjournalist“ bloß höre, krieg ich Kotzkrämpfe!) und gefeierte Selbstdarsteller für uns alle zum Neger machen, um das „unverbesserlich femdenfeindliche deutsche Wesen“ aufzustöbern und „anzuprangern“.
Tja, Neger, Neger, Schornsteinfeger. Soulbrother Günters (Da good Nigger from the hood!) Schornstein raucht schon wieder ganz gut. Buch und Film kommen strategisch gut platziert parallel auf den Markt. Für den Friedensnobelpreis zwei Wochen zu spät, es sei denn, Obama und Onkel Ogünni sind eh Brüder. Auch Obama war ja, genau wie unser furchtloser Walli, „ein ganzes Jahr lang als Schwarzer unterwegs“! Und wie ich unsre extrem tapfren Widerständler gegen das „unverbesserlich fremdenfeindliche deutsche Wesen“ kenne, werden sie wieder ordentlich TamTam machen. – Ich mach da nicht mit. Da könnt ihr warten, bis ihr schwarz werdet.
Schlagwörter: Günter Wallraff, grün-linke Bourgoisie, juste milieu, Klischee, Raffgier, Rassismus, Schwarz auf Weiss, Undercover Enthüllungsjournalismus, Vorurteilsbestätiger, Wichtigtuerei
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23. Oktober 2009 um 1:14 PM
(unterschreibt eifrig)
Danke für diese klaren Worte!
23. Oktober 2009 um 3:49 PM
Einerseits: auf dem Dildo-Road-Market in Hachney (genauer: DALSTON) habe ich die eigen- und frend- Verwertung und Verwendung des Wortes Nigger erlebt und vor allen Dingen erlernt. Das scheint mir hier nicht der Fall zu sein ?!
Zweiterseits: Deine bislang hoch geschätzte Weltsicht und -Kritik scheint mir hier dann doch aus diplomatischer Sicht ein wenig zu entgleisen. Immer mehr formt sich in meinem Kleinhirn die Vision eines Duisburger Enthüllers,, der ein Ghetto (jezz mal’n etymologischer Test -aber ohne wiki beantworten, biki ! – WO KOMMTS HER, das GHETTO)) nicht erlebt hat.
Dritterseits: Polemik ist Dir sicher als Universalgelehrter kein Fremdwort und mag wohl auch im Genuss der Freiheit der Rede @ philosphers coerner stehen, aber selbst in wordpressens speakers coerner für einen Polemiker, der auf allen Hochzeiten tanzt (keine Sorge, da stehst du überhaupt nichtr allein da) ……..
geht mir das am schwarzen Hut vorbei (und selbst verständlich auch am Arsch).
Soviel dann wohl für dieses Jahr (oywoy, es hat ja gerade erst begonnen…)
23. Oktober 2009 um 4:58 PM
@Botschaft: Nein, mein Lieber, ich habe persönlich kein Ghetto erlebt, wenn man von South Side Chikago absieht, aber ich bin ja nicht schwarz. Hast DU denn eines erlebt? Bei Deinem Alter schwer vorstellbar.
Ich weiß als ehemaliger Teilzeit-Venezianer natürlich, woher das Wort „Ghetto“ stammt; ich kenne auch die Geschichte der europäischen Juden ganz gut. Dafür brauch ich kein Wiki. Daß mein „Ghetto“ nur ironisch so genannt werden kann, weiß ich nicht nur, sondern habs auch irgendwo schon geschrieben: Ein Hundert-Nationen-Viertel ist schon aufgrund seiner ethnischen Heterogenität im soziologischen Sinne per definitionem natürlich kein „Ghetto“. Selbst 100% homogene Türken-Viertel sind keine Ghettos, weil sie nicht durch Zwangsausgrenzung, sondern wesentlich durch Selbst-Konsegration entstanden sind. – Wenn ich eine Rubrik „In the ghetto“ bezeichne, ist das offen ironische Selbststilisierung und zugleich als Anspielung auf die Selbstmystifikation der Hiphopper gemeint. Zufrieden? Einigermaßen?
Um eine durch und durch verlogene Klischee-Kampagne wie des Herrn Wallraff mies zu finden, brauche ich keine Ghetto-Erfahrung.
PS: Du mußt ja nicht auf jede Hochzeit mitkommen. (Ich geh da überall hin, weil ich Zum-Tanz-Aufspieler bin: The fiddler without roots. Shalom, Alter)
25. Oktober 2009 um 5:38 PM
prima text, das. paßt eigentlich ganz gut zu meiner U6 erfahrung mit den gutmenschInnen berlins. das sind die, die einem aus politischen gründen einen schlaganfall wünschen, nicht nur aus schlechter laune heraus ‚-P
26. Oktober 2009 um 3:55 AM
na, für jemanden, dem das alles ‚am arsch (oder auch hut, whatever that means) vorbeigeht, sind das aber eine ordentliche anzahl von kommentaren. looks like k’s not the only one needing a life ‚-)
26. Oktober 2009 um 6:35 AM
You name it, my lady. Fuckin‘ right. BTW I’m pretty good in knowin‘ my needings. Some booze maybe, some books, a good wife. Live is less important. As they say it in Ghost Dog: Life emerges from the middle of nothing and goes back to nothing soon.
But what I definitely don’t need is a bunch of vague YouTube-messages-in-a-bottle and some arrogant instructions concerning the right way of being anti-nazi or anti-racist. Need it like a hunchback or a goiter.
K.
2. November 2009 um 9:52 PM
[…] Kein Günter dabei. Vielleicht nehme ich die Bude. […]
5. November 2009 um 5:01 PM
Ich muss gestehen, dass ich mir sogar Ogünnis Buch kaufte in der Ddorfer Bahnhofsbuchhandlung, da ich seinen Artikel als Obdachloser letztens recht beeindruckend fand.
Die billige Karnevalsperücke und Schuhwichse irritierten mich als Karnevalshasserin auch. So schnell wird man zur Rassistin.
Aber wenn es ihm ernst gewesen wäre, hätte er sich wenigstens die betroffenen Lippen aufspritzen lassen können. Das machen ja schon 17-jährige Mädels, wie die Chiara Ohoven.
Und du hast Recht: es ist wirklich merkwürdig, dass er mit den armen, ausgegrenzten Schwarzen nicht geredet hat. Bei der Sache mit der Lidl-Brötchen-Fabrik hat er zig geschundene Arbeiter zitiert.
Aufnahme im Schäferhundverein, spießige Laubenkolonie und Wanderverein? Wer will denn da schon rein? Na, versuch da mal als Irokese, Autonomer oder Piercing-Freak reinzukommen!
Vielen Dank für diese gesalzene Entlarvung der Klischee-Knalltüte, mein krasser Kraska!