Brennende Lust: Nacktes Nackenwerfen vs. Feminismus
Derzeit beginnen zeitaktuelle Kolumnen-Texte gern mit einem Zitat von The Loving Spoonful: „Hot town, summer in the city, / my neck’s gettin’ dirt and gritty“ – warum auch nicht, liegt doch nahe bei 37° C im Schatten! Außerdem ists ja ein schönes altes Lied. Ich fang trotzdem mal anders an: Stellt euch einen einsamen Sandstrand vor – nahezu menschenleer liegt er unter der Sonne; bis auf das gelegentliche leise Vorübertuckern eines Schiffes ist es himmlisch still; kein Kindergeschrei, kein hektisches Geplantsche, keine sportgeilen Muckibengel mit Beachball, die einen andauernd immer mit Sand bestäuben. Die Sonne erzeugt mediterranes, wenn nicht sogar nordafrikanisches Flirren, doch ein zwar wüstenhauchwarmer, aber doch erfrischender, kräftiger Wind fächelt Annehmlichkeit zu. Wohin man da fliegen muß? Nirgendshin, das geht mit dem Rad, ist bei mir um die Ecke, im Ghetto, am Rhein.
H ier kann man völlig ungestört sich sonnen, meditieren, den Schleppkähnen auf dem Rhein zusehen oder, auch wenn das hier im Viertel der hundert Nationen etwas exotisch wirkt, ein Buch lesen. Ich für meinen Fall hatte ein Buch der feministischen US-Philosophin Judith Butler mit dem Titel „Die Macht der Geschlechternormen“ dabei, weil ich das für ’nen Vortrag lesen muß. Ich habe ja auch einen Beruf, da ich vom Bloggen oder Qypen nicht leben kann. Leider konnte ich mich am Strand auf die Geschlechternormen und ihre Macht nur schwer konzentrieren, da ein junger Mann die Gunst der Menschenleere und Ungestörtheit nutzte, um von seiner Freundin Erotik-Fotos zu schießen. Heute heißt das so: „Komm, Chloé-Sandrine, Baby, wir machen heut ein mal ein sexy Foto-Shooting, ja?“. Vielleicht wars auch nicht seine Freundin, sondern ein Profi-Model, denn das bis auf gewisse Zonen knusprig grillhähnchen-farben bronzierte Fräulein, das lediglich mit einem großzügig aufgeknöpften weißen Herrenhemd bekleidet war, zeigte körperbaulich gesehen vorzüglich gestaltete Anlagen. Man möge mir das verzeihen oder nicht, aber da, wie gesagt, ein kräftiger Wind ging, der das besagte Hemd in reizvolle Flatterhaftigkeiten versetze, geriet meine Feminismus-Lektüre irgendwie ins Schlingern, weil, es gibt Dinge, die kann man einfach nicht gleichzeitig! Etwa ein Auge dem theoretischen Feminismus, und eines der praktischen Frauenschönheitsverehrung widmen. Das gibt, vor allem in der prallen Sonne, Hirnschwurbel!
Der Fotograph war jedenfalls mit Sicherheit kein Profi, sonst würde er ja nicht grad seine Bilder „schießen“, wenn die Sonne, im Zenit ihrer weißen Mittagsglut, der Mademoiselle Modelle völlig unschmeichelhaft senkrecht auf den Schädel brennt. Da ich mir hinter meiner großen Sonnenbrille ohnehin schon die Indiskretion des Da-Hinguckens erlaubte (ich kann nichts dafür, ich bin ein Augenmensch!), konnte ich ebenso gut, sagte ich mir, auch gleich mal studieren, wie sich die Macht der Geschlechternormen in den Erotik-Vorstellungen der passionierten Amateure so niederschlägt. Die Regie- bzw. Model-Führung des Fotographen ließ eigentlich nur zwei Schlüsse zu: Entweder taumelte das Mensch einhundert Prozent phantasiefrei durchs Geschlechtsleben, oder er pflegte eine eigenartige, bizarre sexuelle Obsession: Das Nackenwerfen! Wieder und wieder, ein ums andre Mal, hörte ich ihn der Dame zurufen: „Wirf mal den Kopf in den Nacken! Leg mal so den Kopf zurück! Beug dich mal so nach hinten, ja?“ Die einzige Pose, die der arme Kerl bei seinen ca. dreitausend „Schüssen“ offenbar goutierte und für erotisch hielt, bestand darin, daß sein Modell den Kopf extrem weit in den Nacken warf und so tat, als würde sie von ihren mit Helium gefüllten Brüsten irgendwie gen Himmel gezogen! Mal sollte sie dazu die Schenkel spreizen, mal lasziv das Knie anwinkeln, mal alles zusammenkneifen, aber immer: den Kopf in den Nacken werfen! Mir wurde ganz schwindelig vom Zugucken!
Also, jedem seine erotische Vorliebe, aber mich würde eine weibliche Begleitung ja eher irritieren, die ungefähr tausendmal am Tag ihren Kopf in den Nacken wirft! Da läuft frau doch die Gefahr, sich ein Schleudertrauma zuziehen! Sind die Geschlechternormen das wert? Mein stets polymedial aktive Multifunktionshirn spielte mir „Bettina, pack deine Brüste ein / Bettina, zieh dir bitte etwas an“ von der Band Fettes Brot ein, was sich als perfekter Soundtrack zu dieser Strandstunde erwies.
Trotz allem, es gibt natürlich schlimmeres, als an einem heißen Augusttag am einsamen Rheinufer-Strand Sonnen-Siesta zu halten und physisch gut entwickelten jungen Erwachsenen beim Versuch zuzugucken, sexy zu sein. Ich hoffe, Frau Prof. Butler hat dafür Verständnis!
Nachtrag: Warum dieser neu gestaltete Strand tagsüber noch immer menschenleer ist, bleibt ein Rätsel. Vielleicht ändert es sich, wenn 2010 die geplante Gastronomie am „Strand“ verwirklicht wird? Obwohl, wenn’s nach mir ginge, könnts so bleiben: Die Ruhe mitten in der Stadt ist traumhaft!
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20. August 2009 um 7:17 PM
Die sind nicht echt, oder? Die tun nur so und wollen spielen, hm? Insgesamt aber ein sehr anschaulicher Zugang zu den Geschlechternormen, der Judith Butler im Gegensatz zu Alice Schwarzer recht amüsieren würde. Der arme Photograph, das gebeutelte Model: es lebe das Klischee! Das wird nur noch getoppt vom sog. „Männermobil“: wird nächste Woche zur Caravan-Ausstellung vorgestellt und ist ein 6,5 Tonnen-Monster mit integriertem Zapfhahn, playstation, Bilder nackter Frauen (ich weiss nicht, ob die auch immer ihren Hals recken müssen) Erotikbett mit Dimmer und Nebel (?!) und einem „Notfallset“, bestehend aus Kondom, Viagra und…….einer Aspirin?
Da bleiben doch keine Wünsche offen, oder?
20. August 2009 um 9:54 PM
Zwei Dinge: Vampire sind ja grad popkulturell gesehen das Inste überhaupt. Vielleicht sollte das Herren- ein Totenhemd darstellen und die entblößte Kehle die Beißhemmung lockern?
Und: Feminismus hin oder her, das Foto wird Dir mehr zweifelhaften Blogbesuch eintragen. 🙂
20. August 2009 um 10:41 PM
Das nehm ich auch mal an, aber vielleicht hat sich Herr Kraska auch was dabei gedacht?
20. August 2009 um 10:39 PM
Ich weiß – ich legs darauf an! Aud meinem Blog landen viele (Be-)Sucher, die dann sehr, sehr enttäuscht sind… – Für ein Totenhemd weckte das Entkleidungsstück zuviel Lebensgeister…
20. August 2009 um 10:52 PM
Lebensgeister? Aha….
21. August 2009 um 4:10 PM
Dacht ich mir schon. Ich würde ja nur zuuuuu gern einen Blick in Deine Suchbegriffe Statistik werfen!
20. August 2009 um 10:40 PM
@Gabel: Ist eine Frau oder etwas ähnliches (Gummipuppe, Lustroboter) mit inbegriffen?
20. August 2009 um 10:49 PM
es hiess, entweder Photos von Frauen oder „gar“ eine Frauenpuppe. Ich weiss nicht, was schlimmer ist….doch, eigentlich schon….
21. August 2009 um 6:18 PM
@jou: Ich hatte gestern, nach der Veröffentlichung mit den entsprechenden Tags, Rekord-traffic! Die Kurve schnellte STEIL nach oben!
21. August 2009 um 6:56 PM
Wie geht denn das mit den votes ?, kurvt das auch nach oben ? Von zwei Damen ohne Grill war bislang nicht die Rede und mit Nacken assoziiere ich nur Nackensteaks…
27. August 2009 um 10:14 AM
Und ich dachte, du veröffentlichst nur Fotos von unrasierten Achseln. Schwer enttäuscht.
27. August 2009 um 10:16 AM
Achso, schöner Strand, wollte ich noch sagen.