Opfer-Omis: Sind sie zu hart, bist du zu weich


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Weicheier-Alarm: Oma greift durch!

EINE WOHLFÜHL-STORY ZUR GEMÜTS-WELLNESS

Über meine Stadt gibt es zu viele Klischees und zu viele schlechte Filme, die auf ihnen basieren, als daß man auf eine metropolitane Ausstrahlung hoffen zu dürfen berechtigt wäre. (Zu gestelzt? Egal jetzt.) Unsere Straßen sind nicht mit Roten Teppichen bedeckt, unsere Catwalks voll Hundedreck, und in den Nischen und Winkeln der gewesenen Montanstadt drückt es sich dreist herum, das sozialbrennpunktentstammende Geschmeiß, Gesindel und Geschnetz, dem man mit der Bezeichnung „multiethnisch“ noch ein hübsch elegantes Bemäntelchen überziehen könnte.

Dennoch besitzen wir Superlative noch und noch! Beispiel? Nun, es mag jetzt nicht als ausgesprochene Touristenattraktion durchgehen, aber wir haben hier a) die beinhärtesten Omas, b) die weicheirigsten Raubüberfall-Unternehmer des Sektors, wenn nicht der ganz Republik! Dies einer Presse-Kurznachricht zu entnehmen erfüllte mich heute mit einer den Vormittag nachhaltig besonnender, wohlig-zufriedener Gemüts-Wellness:

Eine Oma (89) wurde in Friedhofsnähe von einem jungen Kriminellen (28) als Handtaschenraubüberfallsopfer ausgeguckt. Mit äußerster Ungezogenheit vertrat der in voller Manneskraft strotzende Delinquent dem klapprigen alten Weiblein den Weg, um ihr das zum Transport seniorentypischer Habseligkeiten dienende Stoffbeutelchen zu entreißen. Der kriminalverbrecherische Versuch eines vollendeten Eigentumsdeliktes endete für den Handtaschenräuber-in-spe jedoch mit einem ebenso unerwarteten wie letztlich demütigenden Fehlschlag: Das zum Multitasking offenbar noch ganz gut fähige Großmuttchen erhob nicht nur geistesgegenwärtig ein gewaltiges Wehgeschrei und Protestgezeter, – die wehrhafte Greisin benutzte, so die Presse mit unverhohlener Anerkennung, ihre freie Hand auch noch dazu, dem fremden bösen Mann unerschrocken und ungescheut stahlhart ins Gemächte zu greifen und ihm dorten derart beherzt die Eier zu quetschen, daß der nunmehr voll zurecht „Weichei“ zu titulierende Möchtegern-Brutalo mit erbarmungswürdigem Schmerzgeheul das Weite suchte – er fand es jedoch nicht, denn die Polizei zuvor schon ihn, was in einer eher undramatischen Verhaftung seinen rechtmäßigen Abschluß erfuhr.

Wäre dies nicht schon Wohlfühlstory genug, bietet die hiesige Presse für das Ende des Reality-Dramas zwei alternative Schlüsse an: Der liberalkatholischen „Rheinischen Post“ zufolge mußte das unerschrockene Opfer, die Rührei-Oma, kurz zur Überholung ins Krankenhaus. Dies sei ihr zwar gekönnt, aber die Version der „WAZ“ gefiel mir besser:  Nach ihr war es im Gegenteil das kleinkriminelle Weichei, das ins Spital spediert wurde, um seine Privatangelegenheit per Eisbeutel abschwellen zu machen. Vom nächsten Handtaschengeld wird er sich wohl erstmal ein Suspensorium kaufen: Unsere Omis greifen durch!

 

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6 Kommentare - “Opfer-Omis: Sind sie zu hart, bist du zu weich”

  1. botschaftneukoelln Says:

    In meiner eigenen «Gemüts-Wellness» die bei der absolut delektablen Lektüre ins Wallness geriet, habe ich den Verbrecher zwar dem Team von
    http://www.weichei.de
    als Kandidat für Das-des-Monats vorgeschlagen, erwäge jedoch andererseits schon seit Monaten einen eigenen Handtaschenraub (zu begehen im Vatikan, denn dort liegt die Aufklärungsquote nur bei 10% ), wie stern-online meldet:

    http://www.stern.de/panorama/:Vatikan-Die-B%FChne-P%E4pste/539165.html

  2. karu02 Says:

    Leider hat die wehrhafte alte Dame hier und in den Redaktionen keinen Zugriff. Auch ist ein beherzter Griff ins zu quetschende Hirn nicht auf die gleiche leichte Weise möglich. Daher frage ich mal an ihrer Stelle, was schlimmer ist, der Handtasche oder der Würde beraubt zu werden? Wer außer ihren Enkeln, falls sie denn welche haben sollte, denn nur das hebt sie in den Stand einer Großmutter, hat das Recht, sie Oma oder gar Omi zu nennen? Das ist sogar in Altenheimen, wo manches Diskriminierende möglich ist, nicht gestattet. Dort sind es Damen und Herren, Männer und Frauen, Bewohner oder Bewohnerinnen.
    Ich habe mich schon als Kind geweigert, fremde alte Damen Oma zu nennen, weil es für mich nur eine gab, die meine. Zu der Zeit war mir noch nicht klar, dass ich mich gegen diese Bezeichnung oder gar Anrede irgendwann mal würde wehren müssen. Ab wann „erlaubt“ Man(n) sich das eigentlich, ab 60, ab 70 oder erst ab 80? Ab 90 dann Uromi oder wie?

    • 6kraska6 Says:

      @karu02: – Ich bin ein vom „Gesetz des Vaters“ (Lacan) und auch dem „Geschwätz der Mutter“ emanzipierter Sprachspieler und Sprach-Arbeiter: Ich habe und nehme mir daher das unumschränkte Recht, jedes existierende Wort der deutschen Sprache zu verwenden und es spielerisch einzusetzen, wenn es mir im Kontext angezeigt erscheint und wann immer es mir gefällt. Dazu gehören auch Kraft- und Vulgärausdrücke, Schimpfwörter oder Wörter, die von einer pedantischen, auf Denkzwang abzielenden „politcal correctness“ – oder was dafür gehalten wird – gerne „verboten“ werden. Entsprechende oberlehrer- oder gouvernantenhaft auf mich hin gespitzte Zeigefinger ignoriere ich ebenso kaltlächelnd, wie ich zugleich darauf verweise, was für Denk-Klischees und Zwanghaftigkeiten solcher Sprachpolizeifürsorge zumeist zugrunde liegen. Wenn es mir kontextuell paßt und ich damit auf sprach-performativer Ebene eine spezifische, von mir kalkulierte und intendierte Wirkung erzielen möchte, schreibe ich nicht nur Oma und Opa, sondern jederzeit gern auch noch Neger, Zigeuner, Ithaker, Kanake, Musel, Kameltreiber, oder was immer sonst die Empörung erregen mag.– Den erhobenen Zeigefingern fehlt es zumeist an Bewußtsein und Sensibilität für den performativen Aspekt der Wahl von Sprachebenen in einem (ironischen, satirischen etc.) Text. Sie kapieren einfach nicht, was es für einen Unterschied ums Ganze macht, ob eine Frau in den TV-Nachrichten „Oma“ genannt wird, ob ich eine konkrete Person so anspreche oder ob in einem fiktional-genre-typischen Textchen Begriffe gewählt werden, um eine bestimmte Perspektive einzuführen.

      Von daher liegt Dein Einwurf, um meinen leider viel zu früh verstorbenen Freund und Rechtsanwalt G. Sauer zu zitieren, bedauerlicherweise neben der Sache.

  3. botschaftneukoelln Says:

    Bei-pflicht-end: Der Botschafter

    « Freiheit ist immer die Sprache der Sprechenden.»

    (Ich habe 1998 in den Slums der «alten Hure Hackney» gelernt, dass Diskriminierung nicht über das Wort «Nigger» transportiert wird, sondern darüber, wie der Kaffee schmeckt.)

    • 6kraska6 Says:

      „… wie der Kaffee schmeckt“? Da muß ich jetzt leider errötend passen – da komm ich nicht mit: Wieso läuft darüber Diskriminierung?

  4. botschaftneukoelln Says:

    naja, «Schmecken» lag begrifflich vielleicht ein wenig daneben, die Kulör des Koffeins jedoch wird in Hackney durchaus scherzhaft und PI kommentiert…


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