Lässt Merkel abfackeln?


img KONJUNKTUR-RAKETE IM ZWIELICHT

Auf meinem Schreibtisch liegt ein Pflasterstein, Granit, zehn mal zehn Zentimeter Kantenlänge, nostalgisch-sentimentalisches Relikt meiner längst überwundenen Militanz-Phase. Straßenkampf-Nippes halt. Geschenkt bekam ich den Stein, sozusagen noch bürgerkriegswarm, aus der Nacht des 30. April, in der es traditionell in Teilen Berlins bei linksradikale Krawallen orntlich kracht. Warum, weiß ich nicht genau. Ist wohl bestwerliner Folklore oder schon Tradition oder so. Den Stein brachte mir ein befreundeter existentialistischer Anarcho-Taliban aus dem autonomen schwarzen Block mit, zum Dank dafür, daß ich seine Seminar-Arbeit über die Ethik des christlichen dänischen Philosophen Søren Kierkegaard betreute. Nun ja.

Durch diesen hypokritischen Jünger der Gewaltlosigkeit aus Berlin-Wedding erfuhr ich erstmals, daß in gewissen Teilen Berlins, damals wars Kreuzberg, in einer gewissen Szene der Vandalismus als zu kultivierende Kunstform galt. Man legte Wert auf Choreographie, schickes schwarzes Ourfit  und guten Soundtrack, wenn man Bankenfenster einwarf, mit Molotw-Cocktails schmiss und Polizei-Autos demolierte. Man fühlte sich gut im Pulverdampf, eventuell als „Mensch in der Revolte“ (Camus), wobei angenehm offen blieb, wogegen man revoltierte: gegen das Absurde? Gegen ALLET? Drohende Studiengebühren? Die S-Bahn-Preise? Oder bloß gegen die willkürliche Beendigung des Aprils durch den 1. Mai?

Wie auch immer, es gibt brandneue Randale! Der Block hat Bock auf Rock. Gemeinerweise nächtens, wo allet schleeft und keener guckt, schleichen sich die streetfighter durch die „Latte-Macchiato-Viertel der Hauptstadt“ (WAZ), will wohl sagen Mitte, Prenzl- und Kreuzberg, Friedrichshain etcetera, und fackeln dort geparkte Limousinen gehobener Klasse ab! Yo!  Mehr als 290 schnieke Karren wurden bereits, wie es so schön heißt, ein „Raub der Flammen“. Die legendären Kreuzberger Nächte kehren wieder! Neben den sozialen tritt nun der automobile Brennpunkt: Robin „bad neighbour“ Hood fackelt nicht lange, dafür aber lichterloh. Er hat keene Arbeit, wa, aber nachts einen soliden Sachschaden! Jaguar, Lexus und Phaeton: Kiek ma runter, Mensch, die brennen schon!

Nun war ich, auf meinem Rentnerkissen im Fenster liegend, schon im Begriff, eine scharf zeigefingerbewehrte Moral-Vermahnung in Richtung einer offenbar verwahrlosten, entsittlichten Jugend abzuschießen, als ich unwillkürlich inne hielt und mir nachdenklich in die Faust biß: – … Moooment! Augenblick mal! 290 mal so bummelig sechzig, achtzig, hunderttausend Euro pro Stück unbrauchbaren Autos! Und die müssen ja alle neu gekauft werden…

Jetze denk ick mir ‚türlich mein Teil. Die Abwrackprämie war nur die erste Stufe der Konjunkturrakete! Jetzt zündet (!) Angela Merkel die zweite: Und zahlt dem schwarzen Mob eine Abfackelprämie! In Krisenzeiten darf man vor unorthodoxen wirtschaftspolitischen Methoden (vgl. Elfer-Rat zu Gutttenberg!) nicht zurückschrecken. Aber das bleibt erst mal unter uns, ja?

Werbung
Explore posts in the same categories: Notizen

6 Kommentare - “Lässt Merkel abfackeln?”

  1. serviervorschlag Says:

    Was für erschreckend plausible Gedankengänge… bliebe nur zu überlegen, welchen Platz in der Rangordnung der zu fördernden Unternehmen nun die Versicherungen gegenüber den ohnehin schon bereicherten Autoverkäufern einnehmen. Oder werden die Auswirkungen der Merkelschen Abfackelprämie kurzerhand als höhere Gewalt deklariert? Dann haut das neue Wirtschaftsförderungs-Modell ja wieder hin.

    • 6kraska6 Says:

      Stimmt, hab ich jetzt auch gelesen: Labude. Immer gut. – Ich persönlich hatte die Inspiration allerdings aus meiner täglichen Doof-Droge WAZ (Wesdeutsche Allgem. Zeitung)…
      Dort entnahm ich auch das Agenturbild von dem Schablonen-Graffitto….

  2. eat_berlin Says:

    @connect — stimmt. kam mir auch bekannt vor, die idee.

  3. Scarpa14 Says:

    ؟؟{= Sonderzeichen für Ironie]
    Richtig, so war das doch: ’n ordentlicher Krieg, alles ist kaputt und dann gibt’s super was zum Aufbauen, die Wirtschaft wächst, alle haben Arbeit. War doch Schumpeter mit der „kreativen Kraft der Zerstörung“? Oder?

  4. joulupukki Says:

    Hehe – kreativer Konjunkturaufschwung, ja? Wenn das mal nicht wieder der italienischen Autoindustrie zugute kommt, die ja seit Merkels Eingebung von oben besonders gut verdienen soll ^^


Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s


%d Bloggern gefällt das: